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17 January—
9 February 2019

Fisimatent
Galerie Perpetuel, Frankfurt am Main

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FAZ, 27.02.2019, Kultur (Rhein-Main-Zeitung), Seite 34 Christoph Schütte Vertraute Bilder, brüchig gewordene Erzählung: Die Frankfurter Galerie Perpétuel zeigt Eva Schwabs kleine Schau Fisimatent! Die Geschichte ist zu schön, um wahr zu sein. Und vermutlich ist tatsächlich nicht wirklich etwas an ihr dran. Indes, die Anekdote kennt in Mainz und im Rhein- hessischen bis heute jedes Kind. Dass nämlich die »Fisi- matenten«, vor denen besorgte Eltern schon einmal die Töchter warnen, auf die losen Sitten während der Napo- leonischen Kriege zurückzuführen seien, als die Herren Besatzungsoffiziere die hübschen Mädchen schon einmal mit einem charmanten »Visitez ma tente«, nun, ein we- nig näher kennenlernen wollten. Wenn nun Eva Schwab ihre Ausstellung in der Frankfurter Galerie Perpétuel in Anlehnung an diese Anekdote entschlossen »Fisimatent!« überschreibt, dann geht es ihr genau darum. Und auch wieder nicht. Nicht um Schäferstündchen jedenfalls und heimliche amouröse Feldlagerbesuche, wenngleich das Zelt durchaus eine zentrale Rolle spielt in dieser dichten kleinen Schau: als Motiv wie als Dis- play für Tücher, Flecht- und Stickarbeiten und noch so allerlei. Es geht ihr mit dem Zelt um ein sich im Raum manifestierendes Statement. Als Ort des Rückzugs, der Kontemplation vor allem auch, als Atelier gleichsam und als improvisiertes Boudoir, wo man sich seiner selbst zu vergewissern trachtet. Als Mensch, als Tochter, Mutter, Frau und insbesondere als Künstlerin, deren Arbeiten seit vielen Jahren das Wesen der Erinnerung zum Thema ha- ben insofern, als Schwabs Kunst den Trug- und Nach- und gleichsam vorgefundenen Bildern unseres Gedächt- nisses so malerisch wie installativ Form zu geben trachtet. Falsche Erinnerungen, Brüche, Missverständnisse und Übertragungsfehler, welche die Erzählung unseres Lebens bei genauerer Betrachtung erst zu unserer eigenen ma- chen, selbstredend inklusive. Denn als einstige Meister- schülerin von Markus Lüpertz ist die 1966 in Frankfurt geborene Künstlerin zwar stets vor allem Malerin, eine Künstlerin, deren Motive dem eigenen Familienalbum entnommen sind, Chroniken geradeso wie überkomme- nen Bilderzählungen und dem kollektiven Gedächtnis. Als Malerei aber auf mit Wachs grundiertem Nessel er- scheinen It’s good for you, der Schneeschneider oder auch das bescheidene Self zwar tatsächlich in Parafin gegossen und solcherart beglaubigt und besiegelt. Als hier deutlich konturierte, dort gleichsam vor den Augen des Betrachters verblassende, mit allerlei Fehlstel- len und blinden Flecken daherkommende Bilder stellen sie indes vor allem Fragen. Mehr noch, angesichts all der Risse, Höfe, malerischen Craquelés von Grund wie Ober- fläche erscheint die derart aufgehobene und buchstäblich Bild gewordene Erinnerung nicht etwa unzweifelhaft ge- sichert und bewahrt. Das Gegenteil ist hier der Fall. Das Bild mag uns vertraut anmuten. Die Erzählung aber er- scheint brüchiger denn je.